Es ist erstaunlich, wie eigene Vorstellungen durch frühe Bilder geprägt werden.
Als ich im Herbst vor mehr als 25 Jahren beim Landeanflug den ersten Blick
durch den Dunst auf Shanghai warf, war ich verwundert, denn die Häuser hatten
flache Dächer. Keine dieser geschwungenen Giebel, die man aus den alten Bruce
Lee – Prügelfilmen kannte, die Anfang der 80`er abwechselnd mit Softpornos in
dem heruntergekommenen „Regina“-Kleinkino meiner Heimatstadt abgespielt wurden.
Natürlich hatte ich damals bei der Ankunft auch zu wenig Klamotten an, denn
Bruce Lee trat seinen Gegnern immer mit freiem Oberkörper bei strahlendem
Sonnenschein in den Arsch; denn so ist es nun mal in China, dachte ich,
zumindest was das Wetter betrifft.
Es war nicht meine einzige Vorstellung, die ich in den nächsten Wochen
revidieren sollte.
Denn weder Bruce Lee mit seinen Kumpanen in Pluderhosen, Tellerhut und
Opiumpfeife, noch Rotgardisten, Maobibeln schwenkend und revolutionäre Parolen
skandierend, liefen durch die Straßen, sondern ganz normale Menschen.
Okay, die Girls damals schon ein wenig schicker als bei uns und die Männer oft
noch mit der Zigarette im Mundwinkel. Aber davon mal abgesehen deutlich weniger
exotisch und viel unspektakulärer als in meinen Vorstellungen.
Und doch, nach einiger Zeit habe ich es gespürt: die anderen kulturellen
Prägungen der Menschen und ihre oft unterschiedlichen Wertvorstellungen. Die
Dinge also, die einen Aufenthalt außerhalb der eigenen vier Wände so wichtig
werden lassen und den persönlichen Horizont erweitern, sofern man denn bereit
ist, sich darauf einzulassen, ohne eigene Grundüberzeugungen aufzugeben.
Auch heute, nach zwanzigjähriger Beschäftigung mit China, entdecke ich immer
noch neue Überraschungen. Sei es im täglichen Miteinander, im beruflichen
Gerangel oder schlichtweg bei Spaziergängen in chinesischen Städten.
Und vielleicht der wichtigste Aspekt für mich ist, daß dadurch auch der
Blickwinkel auf das eigene Umfeld neu justiert wird. Denn es gibt ihn, den
sprichwörtlichen Tellerrand, und es gibt genauso die Möglichkeit, darüber
hinweg zu schauen.
Ach ja, das Klima.
China erstreckt sich über mehrere tausend Kilometer nicht nur von Westen nach
Osten, sondern auch von Norden nach Süden, von der sibirischen Tiefebene also
bis in die tropischen Wälder an der Grenze zu Vietnam. Daß dabei extreme
Temperaturzonen berührt werden, liegt auf der Hand. Was ich selber allerdings
nicht wußte und anfänglich unterschätzt hatte, war, daß es auch in Städten wie
Shanghai oder Chongqing im Winter ziemlich kalt werden kann. Nie so, daß die
Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, aber doch so, daß es durch die
permanent hohe Luftfeuchtigkeit unangenehm wird.
Und weil die Häuser und Büros dort im Regelfall ohne Heizung gebaut werden und
sich nur durch den warmen Luftstrom der Aircondition erwärmen lassen, wußte ich
spätestens dann, warum lange Unterhosen erfunden worden waren.........
China ist ein interessantes, herrliches Land. Die
wirtschaftliche Dynamik ist allgegenwärtig und Konsum die neue Religion.
China ist aber auch ein Staat, der überwacht und
bevormundet. Kameraüberwacht sind mittlerweile fast alle Straßen; Flughäfen und
Bahnhöfe sowieso. Ohne Reisepaßregistrierung können weder Fahrkarten gekauft
noch Bankgeschäfte erledigt werden. Instant Messaging geht nur über den
staatlich kontrollierte Dienst Wechat, über den man auch bezahlen kann. Daß die
Presse nicht frei und ausländische Druckerzeugnisse der Zensur unterliegen, ist
dabei fast schon eine Petitesse.
Die Bevölkerung nimmt diese fast schon Orwell`schen Zustände
gelassen hin, akzeptiert und rechtfertigt sie sogar – staatliche Propaganda
wirkt.
Daß allerdings auch westliche Expats in dasselbe Horn
stoßen, wundert mich dann doch. Okay, viele sind geblendet von der
wirtschaftlichen Entwicklung und davon, wie schnell in China Investitionen
umgesetzt, Hindernisse aus dem Weg gewalzt werden können. Doch meiner Meinung
gehört es auch dazu, vielfältige Meinungen zuzulassen und im Bedarfsfall
Kompromisse zu suchen. Noch boomt es am Jangtse, doch eine Gesellschaft soll in
allen Lagen Perspektiven bieten können.
Das ist eines souveränen Staates würdig, finde ich.
1. Dongbei - Chinas kalte Ecke |
2. Entlang der Seidenstaße - Ins muslimische Zentralasien |
3. Ostchina - Im Wasserland |
4. Im Perlflußdelta - Krimskrams für die Märkte der Welt |
5. Im Roten Becken - Und darüber hinaus |
6. Tibet 1996 - Terra Incognita |
7. Südchina - Unbekanntes entdecken |
8. Diesseits der Großen Mauer - Wo alles begann |
9. Zentralchina - Der Hinterhof Shanghais |
10. Yunnan - Im Goldenen Dreieck |
(ohne Unterstrich: Seite in Vorbereitung) |
Die Hemmnisse im chinesischen Alltag, mit denen man als "Laowai" (Ausländer) unweigerlich konfrontiert wird, erscheinen auf den ersten Blick oft unlösbar. Aber keine Sorge, am Ende klappt fast alles.
Chinesen sind Individualisten und trauen eigentlich nur dem eigenen Clan. Behalten Sie es im Hinterkopf, Sie können dann einige Verhaltensweisen besser verstehen.
Ich hatte weiter oben schon die Wirksamkeit von Propaganda erwähnt. Wenn Sie sich also wirklich beliebt machen wollen, fangen Sie an, über Tibet, Menschenrechte usw. zu diskutieren. Es wird nichts bringen.
Mao sagte, daß den chinesischen Frauen „die Hälfte des Himmels“ gehöre.
Das ist eine Lüge. In Wahrheit sind es 2/3; mindestens. Unterschätzen
Sie die Frauen in China bloß nicht. Und: Für alleinreisende Frauen ist
China bestens geeignet. Probleme mit Sicherheit und Kriminalität
gibt es ebensowenig wie blöde Anmache.
Mit Englisch kommen Sie gut ´rum in den Städten. Ausserhalb davon wird es etwas schwieriger, aber keine Angst, niemand geht verloren.
Seien Sie nicht enttäuscht, wenn alte Gebäude aus Beton nachgebaut sind. Auf manche wirkt es wie Disneyland, aber es ist eine andere Art, mit dem historischen Erbe umzugehen.
Falls Sie einen Kurztrip abseits der Standardtouren buchen wollen, schauen Sie einfach ins Internet. Ich habe mit lokalen Travel Agencies ausschließlich gute Erfahrungen gemacht.
Und haben Sie immer, wirklich immer, eine Visitenkarte Ihres Hotels dabei, die die Adresse auf chinesisch enthält. Nicht nur, daß Taxifahrer manchmal kein englisch sprechen. Sehr oft ist der chinesische Name Ihres Hotels keine 1:1 - Übersetzung des englischen (oder umgekehrt), sondern ein ganz anderer.
Wenn Sie abends in den großen Städten ausgehen, in Restaurants, Bars oder Clubs, nehmen Sie eine dicke Brieftasche mit.
Und zu guter Letzt: Filtern Sie die Ratschläge sogenannter Chinaversteher. Meist Expats, die ungefragt nur ihren Frust darüber loswerden wollen, daß Sie mit westlichen Vorstellungen bei ihren chinesischen Kollegen nicht weiterkommen. Okay, es ist nicht einfach, doch eine weitergehende Analyse würde den Rahmen der Webseite sprengen. Seien Sie unvoreingenommen, doch denken Sie daran, daß Sie sich nicht in einem freien Land bewegen. Dann werden Sie unvergleichliche Eindrücke gewinnen, tolle Menschen kennenlernen und vielleicht sogar ihre Sicht auf viele Aspekte des Lebens neu ausrichten können.