Grau, ohne Farbe, so zeigt sich das Land zwischen
mongolischer Grenze und Gelbem Fluß. Menschenleer noch dazu. Ein vergessenes
Stück Erde, das heute nur die zweite Geige hinter den prosperierenden
Küstenregionen des Ostens spielt.
Und doch war es die Wiege der chinesischen Kultur.
Vor Jahrtausenden entwickelten sich auf den fruchtbaren
Lößböden am Gelben Fluß die ersten Zivilisationen, entstanden chinesische
Sprache und Schrift. Später migrierten die Völker nach Süden und schufen erste
chinesische Großreiche.
In der Gegenrichtung fand der Buddhismus tibetischer
Ausprägung seinen Weg, von Westen her kam der Islam.
In diesem Raum, in dem heute noch zentralasiatische
Völker eng zusammenleben und Fast Food-Restaurants ihren Namen auch auf mongolisch
präsentieren, versuchten die chinesischen Kaiser ihre Dynastien durch eine
Mauer zu schützen. In ihrem Schatten entstand das Handelssystem der
Seidenstraße, Chinas Verbindung nach Westen.
Auf Schritt und Tritt finden sich heute noch
eindrucksvolle Spuren vergangener Zeiten, klicken Sie doch einfach mal weiter!
Weit im Osten ist es noch grün an der Großen Mauer. Restaurierter Teilabschnitt bei Badaling, nördlich von Beijing. |
Vergleicht man China mit einem Kreuzfahrtdampfer, so sind
die auf Hochglanz polierten Städte an der Ostküste das Oberdeck, die, die
im Schatten der Mauer liegen, aber der Maschinenraum.
Und wie auf einem Schiff geht es dort rau und funktionell
zu, kein Platz für Schnörkel und Eleganz.
In Orten wie Baotou und Datong wird Stahl gekocht und
Kohle verstromt. Oft noch wohnen die Menschen in einfachen Backsteinhäusern
oder sozialistischen Plattenbauten. Und auf den Hauptplätzen dieser Städte findet
sich überall die Mao-Statue aus weißem Marmor. Mit wehendem Mantel und
ausgestreckter Hand weist er den Weg nach vorne, in eine Zukunft, die anderswo schon
begonnen hat.
Ein Besuch in den Industriestädten dieser Region ist wie
eine Zeitreise zurück in die sechziger Jahre. Gerade dieses Flair macht einen
Aufenthalt dort so interessant.
Ackerbau auf terrassierten Feldern in der Provinz Shanxi, westlich von Beijing. |
Die Altstadt von Datong in der Provinz Shanxi. Die meisten Menschen dort arbeiten im Kohlebergbau. | Pensionierter Kohlekumpel in Datong. Früher waren sie die Helden der Volksrepublik. |
Strom aus Kohle für das Wirtschaftswunder Chinas. |
Sozialistisches Stadtbild von Baotou in der Inneren Mongolei |
Im modernen China ist es nicht so ganz einfach mit der
Religion im Allgemeinen und dem Buddhismus im Besonderen. Die Staatsdoktrin ist
zwar dezidiert atheistisch, doch werden Religionen geduldet, solange die
Deutungshoheit der kommunistischen Parteiideologie nicht in Frage gestellt
wird. Es ist ein schmaler Grat, auf dem hier balanciert werden muß.
Was aber gerne genommen wird, sind historische Tempel und
Relikte. Nachgebaut, restauriert und als „scenic spot“ vermarktet, spielen sie
eine wichtige Rolle in der chinesischen Tourismusindustrie. Und ich meine das
nicht grundsätzlich negativ. Sehr oft wurde hier mit Liebe zum Detail
gearbeitet, gepaart mit dezenter Vermarktung. Daß gerade zu Urlaubszeiten diese
Orte stark besucht werden und das individuelle Erleben dabei auf die Probe
gestellt wird, ist ein anderes Thema.
Gerade am Gelben Fluß, dem Ausgangspunkt der chinesischen
Kultur, sind buddhistische Hinterlassenschaften verschiedener Ausprägungen und
Epochen zu finden. Seien es die Höhlentempel der „Wolkengrat-Grotten“ bei
Datong oder aber die tibetisch beeinflußte Tempelarchitektur im
chinesisch-mongolischen Grenzbereich, die Eindrücke sind einmalig und das
Erlebnis durch Sonne, Wüste und Isoliertheit intensiv.
Wudangzhao-Kloster bei Baotou. Der südliche Teil der Mongolei war ab 781 unter tibetischer Kontrolle. | Gebetsfahnen wehen im Wudangzhao-Kloster. Bevor die Mongolen Buddhisten wurden, bekannten sie sich zum Islam. |
Gebaut um 500 n. Chr. unweit von Datong: Das "Hängende Kloster" am Huangshan, einem der fünf heiligen Berge des Daoismus. |
Die Yungang ("Wolkengrat-")-Grotten bei Datong sind die größten erhaltenen Höhlentempelanlagen Chinas, erbaut ab 400 n. Chr.. | Befreit vom Kohlestaub der nahen Bergwerke erstrahlt eine Buddhastatue in den Yungang-Grotten bei Datong. |
Erbaut als Sichtschutz: Die "Neun-Drachen-Wand" im Huayan-Tempel von Datong. |
Klar, der chinesische Neujahrstag im Februar ist der
wichtigste Feiertag im Land. In der Bedeutung gleich danach allerdings folgt schon
der „Mid Autumn Day“ im September.
Da der oft noch mit der kollektiven Urlaubswoche des
chinesischen Nationalfeiertags, der „Golden Week“ zusammenfällt, ist um diese
Zeit Remmidemmi garantiert.
Denn durch die freien Tage ist in den touristischen
Hotspots im Lande die Hölle los. In Xi´an, einem der bedeutendsten davon,
gleichen die Straßen dann denen Venedigs im Hochsommer. Besonders auf dem
Ausgrabungsgelände der unvergleichlichen Terrakottaarmee geht es da nur noch im
Gänsemarsch voran.
Kenner der Verhältnisse raten, einen Besuch dort auf die
Zeit außerhalb der Ferienzeiten zu legen. Generell ist es auch etwas
kompliziert, Tickets vorab im Internet zu kaufen. Mit Sicherheit sind hier für
ausländische Touristen die über eine Travel Agency gebuchten Touren die
stressfreiere Alternative.
Im Herzen Xi´ans nutzen Frauen und Männer, besonders aber
Frauen, in diesen besonderen Tagen die Gelegenheit, um in traditionellen
Kleidern vor historischen Gebäuden zu flanieren. Vorher höflich um Erlaubnis
gefragt, sind Erinnerungsbilder meist kein Problem.
Xi´an ist eine der historisch bedeutendsten Städte
Chinas. Und ein Verkehrsknotenpunkt noch dazu, so daß die Stadt problemlos aus
dem ganzen Land mit Bahn und Flugzeug zu erreichen ist.
Nicht gerade zimperlich geht es dann zu, wenn man einen der vorderen Plätze ergattern will, um die Terrakottaarmee bewundern zu können. |
Eine in traditionelle Trachten gehüllte Bewohnerin Xi´ans am "Mid Autumn Day". | Die behutsam konservierte "Große Wildganspagode" in Xi´an. |
Weniger dezent geht es dort abends an der rekonstruierten Stadtmauer zu. |
Weit im nordwestchinesischen Nirgendwo, in der Provinz
Gansu, gibt es zwischen den Gebirgen einen Streifen flacheren Landes, den
Hexi-Korridor. Seit Jahrhunderten ist er die Verbindung zwischen den
buddhistischen Gesellschaften Chinas und denen der moslemischen Turkvölker
Zentralasiens.
Unablässig weht der Wind und modelliert die bizarren
Felsformationen. Lange Zeit war der Landstrich unbekannt, doch Ende des 19.
Jahrhunderts kamen westliche Forschungsreisende und Kartographen; als
Sprungbrett nach Ostasien rückte die Gegend in den Fokus der europäischen
Kolonialmächte.
Es war Friedrich von Richthofen, ein deutscher Geologe,
der das Gebiet um 1870 erforschte und den Begriff „Seidenstraße“ zum ersten Mal
nutzte. Sogar in den chinesischen Sprachschatz hat er Eingang gefunden. Das ist
bemerkenswert, hat die offizielle chinesische Geschichtsinterpretation doch
üblicherweise Ressentiments gegenüber westlich geprägter Sicht auf eigene
Belange.
Noch ist der Hexi-Korridor nicht überlaufen von
Touristen. Zhangye z. B. bietet kulturelle Sehenswürdigkeiten und ist
Ausgangspunkt für Touren in die Canyons der Umgebung. Von Xi´an aus ist es
leicht per Flugzeug oder Bahn zu erreichen.
Blick auf die schneebedeckten Hänge des Qilian-Gebirges bei Zhangye. |
Die größte liegende Buddhastatue Chinas im "Tempel des Großen Buddhas" in Zhangye. | Unverkennbar auch hier die tibetische Ausprägung der Tempelarchitektur. |
Farbige Ablagerungen eines tertiären Sees bei Zhangye sind heute Hauptattraktionen des Zhangye-Danxia-Geoparks. |