Die Kowloon-Seite

Der Ort, der nie stillsteht



1. Ein anderer chinesischer Gesellschaftsentwurf


2. Kowloon Street Photography


3. Spuren der Hakka


4. Andacht in den New Territories


5. Vogelmarkt 1996





1. Ein anderer chinesischer Gesellschaftsentwurf


Was für den Rheinländer die „schäl sick“ ist, nämlich die despektierlich so genannten Stadtteile auf der anderen Seite des Wassers, ist für den Hongkonger mit Attitüde Kowloon, auch auf dem anderen Ufer. Gut, hier ist es der Victoria Harbour und nicht der Rhein wie in Bonn, doch auf den feinen Unterschied ist man hier wie dort bedacht.




Abends wird es bunt in den Straßenschluchten Kowloons.


Kowloon ist hektisch, überfüllt und steht nie still. Es ist der Ort, an dem sich die Menschen aus dem Rest Chinas ansiedelten, die vor Bürgerkrieg und Kommunismus, vor Hunger und Perspektivlosigkeit, geflohen waren. In der Zeit nach dem Krieg bis heute hatte sich die Bevölkerung Hongkongs verzehnfacht. Hausten die Neuankömmlinge anfänglich noch in Slums, begann die britische Verwaltung aber ab den 70´er Jahren mit dem Bau von Hochhauswohnungen und Planstädten. Übrigens ein Aspekt des Kolonialismus, der bei aller berechtigten Kritik daran oft übergangen wird: nämlich den der Etablierung funktionierender Strukturen in Infrastruktur und Verwaltung.

Heute ist Kowloon wie ein Fenster, das sich öffnet in die Zeit Chinas vor der kommunistischen Machtübernahme. Zusammen mit den New Territories ist es Wohn- und Arbeitsstätte für die, die den Moloch Hongkong am Laufen halten, die Verkäuferinnen, Bankangestellten und Logistikarbeiter.

Kommen Sie, ich zeige Ihnen meine Eindrücke davon!




2. Kowloon Street Photography


Kowloon ist chinesisch-bodenständig, erscheint oft chaotisch, aber zieht mich -vielleicht gerade deswegen?- immer wieder in seinen Bann.

Die Lebensader Kowloons ist die Nathan Road. Quirliges Leben in den Seitenstraßen links und rechts davon, abends Straßenmärkte und Restauranttische auf den Trottoirs. Hier regiert der Handel: mit Klamotten, mit Elektronik, stellenweise auch mit dem, was man(n) sonst so begehrt. Und es ist mehr als ein Gerücht, daß die Triaden überall kräftig mitverdienen.

Kowloon ist ein Erlebnis. Verpassen Sie es nicht!





In Hongkong werden im Gegensatz zur Volksrepublik noch die traditionellen Schriftzeichen verwendet.
Auch für die Werbung weniger gut beleumundeter Etablissements.




Ein Erbe des Empires: In Hongkong gilt Linksverkehr.




Platzangst wäre wirklich ein Problem: Straßenszene in Tsim Sha Tsui.



Platz für ein Aquarium ist in jeder noch so kleinen Wohnung.





3. Spuren der Hakka


In den New Territories, inmitten von Hochhäusern und Shopping Malls, bildet eine imposante Burg aus grauem Stein den Kontrast zur modernen Einheitsarchitektur.

Es ist Tsang Tai Uk, das „Große Haus der Familie Tsang“. Heute noch vom Clan bewohnt, ist es ein Beispiel für den typischen Baustil der Hakka im 19. Jahrhundert. Beginnend an der KCR-Station Tai Wan ist der Weg dorthin ausgeschildert.

Die Hakka bilden eine der Han-chinesischen Volksgruppen, sprachen ursprünglich allerdings eine eigene Form des Chinesischen. Seit etwa der Zeitenwende migrierten sie in mehreren Auswanderungswellen wahrscheinlich von der Gegend des Baikalsees aus nach Südchina. Noch in jüngerer Zeit war diese Wanderungsbewegung nicht abgeschlossen, denn Hakka bilden heute einen signifikanten Anteil der chinesischen Communities in Südostasien und den USA. In Taiwan stellen sie die Bevölkerungsmehrheit.

Und klar, nicht überall waren die Neuankömmlinge auf ihrem Weg willkommen. So entstanden die abgeschlossenen Wohnsiedlungen zum Schutz vor Übergriffen anderer Bevölkerungsgruppen.
Viele Details zu den Hakka und ihrer Geschichte in Hongkong sind anschaulich dokumentiert im Freilichtmuseum Sam Tung Uk, einem restauriertem Hakkadorf. Es ist von der MTR-Station Tsuen Wan aus leicht zu finden.




Die Hakkaburg Tsang Tai Uk in Sha Tin.





4. Andacht in den New Territories


Tief in den New Territories, dem Wohngebiet der Mittelschicht, liegt der Tempel der Wong Tai gewidmet ist; ein daoistischer Heiliger, dem es gelang, aus Zinnober eine Arznei herzustellen, die angeblich jede Krankheit kurieren kann. Wong Tai ist heute in der Bevölkerung überaus populär und sein Tempel einer der wichtigsten in ganz Hongkong.

Businessladies im grauen Kostüm neben Bauarbeitern mit tätowierten Unterarmen bitten hier um Unterstützung im täglichen Leben. Die Luft ist geschwängert vom Rauch der Sandelholz-Räucherstäbchen. Ab und zu ertönt ein Gong und erinnert an religiöse Verpflichtungen. Dabei ist die spirituelle Atmosphäre aber alles andere als einschüchternd oder drohend, sondern gelöst, fast ein wenig heiter.

Wenn Sie nach Hongkong kommen, besuchen Sie Wong Tai Sin oder einen anderen Tempel. Keine Angst, niemand sieht Sie schief an. Im Gegenteil, oft suchen die einheimischen Besucher das Gespräch mit Ihnen. Ein tolles Erlebnis und die Möglichkeit, in die traditionelle Kultur Chinas einzutauchen.




Tempel nach traditioneller Architektur kontrastieren mit Wohnblöcken moderner Art





Der Rauch brennender Räucherstäbchen durchzieht
die Tempelanlage.
 


Der Glaube an buddhistische Heilige ist Teil der
traditionellen chinesischen Kultur Hongkongs.





5.  Vogelmarkt 1996


Selbstverständlich gibt es in Hongkong auch welche, die Briefmarken sammeln.
 
Viele Männer -und es sind ausschließlich Männer- interessieren sich aber eher für Singvögel. Diese Passion hat eine lange Tradition in China, büßt aber im Zeitalter des Internets, genauso wie das Sammeln von Briefmarken, immer mehr seiner früheren Popularität ein.

Trotzdem existiert in Kowloon ein Ort, an dem sich hartgesottene Enthusiasten dieses Hobbies treffen. Zum fachsimpeln, vergleichen oder einfach nur zum abhängen. Fachmännisch werden Vögel nach geheimen Kriterien beurteilt, andächtig ihrem Gesang gelauscht. Und wie es sich für so einen Ort gehört, ist alles rund ums Hobby erhältlich, von Käfigen bis hin zu Riesenheuschrecken, die als Kraftfutter gerne genommen werden (von den Vögeln, natürlich).

Als dezent mit Fotoapparat auftretender Tourist wird man ignoriert und kann deshalb ungestört seiner Passion nachgehen. Wie gesagt, die Betonung liegt auf „dezent“. Das Interessante an einem Besuch dort sind nicht nur die Vögel, sondern auch die knorrigen Typen, von denen sie in ihren Volieren herumtragen werden. Meistens ältere Männer, die äußerlich nichts mit den Businesstypen gemein haben, die sonst so durch die Straßen Hongkongs laufen.

1996 war der Vogelmarkt noch irgendwo in den Straßenschluchten Mongkoks etabliert, mittlerweile findet man ihn in der Yuen Po Street, MTR-Station Prince Edward, Ausgang A.





"Meiner ist größer als deiner". Kritische Blicke auf dem Vogelmarkt.




Sie sind die Stars hier.



Stolz präsentiert er seinen weißen Papagei.





Beurteilt wird nach Kriterien, die Außenstehende nicht verstehen.



Man ist unter Gleichgesinnten.






Wie für jedes Hobby gibt es allerlei Zubehör, ohne das das Ganze nur halb so schön wäre.




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