Grundlage dieser Überzeugung war die Hochkultur, die sich
aus den bäuerlichen Gesellschaften am Gelben Fluß im Norden Chinas ausgebildet
hatte. Diese „Gelbe Kultur“, der Ackerbau auf dem fruchtbaren Lößboden, war
Fundament von Staat und Gesellschaft. Grund dafür, daß das Kaiserreich nach
innen blickte und Errungenschaften von außen, wie z. B. die industrielle
Revolution, komplett ignorierte.
Die
sogenannte „Blaue Kultur“, Seefahrt und Überseehandel, hatte lediglich einen
gewissen Einfluß in den südostchinesischen Küstenprovinzen Fujian und
Guangdong, konnte sich aber nicht durchsetzen. Erst nach der erzwungenen
Öffnung des Landes nach den verlorenen Opiumkriegen Mitte des 19. Jahrhunderts
setzte von dort aus die chinesische Emigration nach Südostasien und Nordamerika
ein; die „Chinatowns“ in Bangkok, San Francisco und anderswo entstanden.
Was in diesem
Zusammenhang heute weitgehend vergessen ist, ist, daß es auch in Deutschland
ein Chinatown gab und zwar auf St. Pauli in Hamburg. Es lebten dort vor allem
Menschen aus Wenzhou, einer Stadt an der Grenze der Provinzen Zhejiang und
Fujian. 1938 kam es dann, wie es kommen mußte: Die Nazis lösten in der
sogenannten „Chinesenaktion“ die Gemeinschaft unter propagandistischem Getöse
auf.
Chinesischer buddhistischer Tempel am Anfang der Yaowarat Street, Chinatown Bangkok. |
Die größte
ethnische Gruppe in Bangkok, ja in ganz Thailand, sind Menschen chinesischer
Abstammung. Ihre Vorfahren emigrierten im 19. Jahrhundert nicht nur nach
Thailand, sondern in viele Länder Südostasiens. Mehrheitlich waren es dabei
Teochew-Ethnien aus der Gegend um die Stadt Chaozhou, Guangdong und Angehörige
der Hakka-Volksgruppe aus Fujian.
Da die
Zuwanderer sich meist nur auf den eigenen Clan verließen und staatlichen
Strukturen gleichgültig gegenüberstanden, kam es oft genug zu Diskriminierungen.
Unter diesem Eindruck bildeten die Chinesen auch räumlich eine enge
Gemeinschaft, mit eigenen Tempeln, Läden und Sozialstrukturen.
„Chinatown“
ist deshalb immer noch ein gängiger Eintrag auf den Stadtplänen vieler
Metropolen Südostasiens. Im Laufe der Jahre allerdings assimilierten
sich die Chinesen. Doch auch heute noch sind sich in Bangkok mehr als
50% der Einwohner ihrer
chinesischen Wurzeln bewusst.
Besonders offensichtlich wird das beim
Drachentanz anläßlich des chinesischen Neujahrsfestes. Die Yaowarat-Straße in
Chinatown wimmelt dann von Menschen, die in traditionell inspirierten Kleidern
ausgelassen feiern.
Gestiftet von chinesischstämmigen Geschäftsleuten, das Eingangstor zu Chinatown. | Rote Laternenschirme gehören zum chinesischen Neujahrsfest wie das Feuerwerk zum westlichen. |
Abends in der Yaowarat Street, der Hauptachse von Bangkoks Chinatown. |
Drachentanz in Chinatown zum traditionellen chinesischen Neujahrsfest im Frühjahr. | Die Kleider traditionell, das Smartphone modern; kein Widerspruch im chinesischen Kulturkreis. |
Gleich am
Anfang macht er mir klar, wer hier das Sagen hat.
Breitbeinig,
voller Testosteron und mit seiner Gang im Hintergrund versperrt er mir den Weg
zu den Gräbern. Es ist seine Hood, und er ist hier der Chef.
Ich höre nur dumpfe
Laute aus seinem Mund. Eine Sprache, die ich nicht verstehe. Verhandlung ist
die einzige Option, die mir bleibt. Und so artikuliere ich in ruhigem Tonfall
englische Sätze. Aufmerksam hört er hin und kommt auf mich zu, immer näher. Ich
sehe das Weiße in seinen Augen, höre seine kurzen, flachen Atemzüge.
Die Sonne steht
tief am Horizont, lange Schatten fallen auf den Beton. Zwei männliche
Individuen stehen sich gegenüber. Beide warten auf den nächsten Schachzug.
Plötzlich
rennt er auf mich zu.
Na ja, so
kann ich ihn wenigstens besser sehen, den Anführer der Hundemeute. Die anderen
Töhlen seines Rudels verziehen sich nun langsam. Einer pinkelt an einen
umgestürzten Grabstein.
Mein neuer Buddy
bezieht seinen Posten auf einer kleinen, halbverfallenen Backsteinmauer und verfolgt
mit gespitzten Ohren jeden meiner Schritte. Es ist nun mal sein Job, so als
Pate des Hunderudels auf dem alten Hakka-Friedhof im Stadtteil Silom.
Ein
verwunschener Ort mitten im Geschäftsviertel von Bangkok. Überwachsene Gräber
und umgefallene Grabsteine. Vergilbte Schwarz/Weiß-Fotos zeigen die Menschen,
deren Körper hier liegen. Es sind Angehörige der Volksgruppe der Hakka.
Ethnische Chinesen, deren Vorfahren vor fast 150 Jahren aus Fujian ins damalige
Siam ausgewandert waren. Mehr als 30% aller Thais haben heute chinesische
Vorfahren, in Bangkok noch weit mehr.
Der alte
Hakka-Friedhof wird über kurz oder lang allerdings verschwinden. Zu wertvoll
ist der Grund und Boden, neue Hochhäuser wachsen schon rundherum in die Höhe.
Wenn Sie die
geisterhafte Stimmung noch spüren wollen, besuchen Sie diesen Ort. Der Eingang
liegt an der Silom Road, Soi 9, um die Ecke der BTS-Station Chong Nongsi.
Ein Rest chinesischer Tradition mitten im modernen Businessdistrikt. |
Ausgesucht wurde der Ort der Gräber nach den Vorgaben des Feng Shui. |
Jogger drehen
keuchend ihre Runden, alte Männer darunter, drahtig und fit. Tätowierte junge
Poser nutzen den Spätnachmittag für einen Workout im öffentlichen Fitnessareal.
Ein improvisiertes Café offeriert Red Bull, und Jugendliche in lässigen
Klamotten trainieren slam dunks.
Nein, die
Szenen spielen nicht auf einem Sportplatz, sondern auf einem Friedhof mitten im
Hochhausdschungel Bangkoks.
Es ist der
Teochew (auch Tae Chio) Chinese Cemetery nahe der BTS-Station Surasak, auch
heute noch eine der Begräbnisstätten der chinesischen Community Bangkoks. „Teochew“
ist die Bezeichnung eines chinesischen Dialektes, abgeleitet vom Namen der
Stadt Chaozhou im östlichen Guangdong und die Muttersprache vieler
Auslandschinesen in Thailand, deren Vorfahren vor mehr als hundert Jahren dem
rückständigen Kaiserreich entflohen waren.
Trotz den
ganzen weltlichen Aktivitäten auf dem riesigen Friedhofsareal ist die Stimmung
entspannt und erholsam; eine Oase zur Stimulierung der Lebensgeister inmitten
der Hektik Bangkoks.
Und dafür ist so ein Platz doch da, zur Erbauung der
Lebenden. Die Toten sind schon an einem anderen Ort, hoffentlich an einem
besseren.
Mehr ein Park als ein Friedhof, mitten in Bangkok. |
Das Grab muß schon Jahrzehnte alt sein. | Viele Auslandschinesen bekennen sich aktiv zum Buddhismus. |
Angeblich spukt es auf dem Teochew-Friedhof... | ... was die Jugendlichen aber nicht vom Steetball-Training abhält. |