Gelebte Globalisierung

Von Curry bis Cornflakes




1. Typisch asiatisch?


2. Des Molochs ruhige Seite


3. Stadtrundfahrt für 40 Cent


4. Raise the Red Lantern




1. Typisch asiatisch?


Bangkok ist mitnichten eine typisch asiatische Stadt.

Das heutige Flair der thailändischen Hauptstadt entstand so ab Ende der 60´er Jahre, als amerikanische GI´s auf Fronturlaub aus Vietnam einflogen. Denen saß am Bartresen das Geld locker, konnte doch ein paar Wochen später beim Kampfeinsatz im Dschungel schon alles zu Ende sein.

Statt der Soldaten kamen später westliche Backpacker, die mit deutlich geringerem Budget ausgestattet waren. Ihr Image bei den Bargirls hat sich bis in unsere Tage gehalten, denn wenn Sie heute in einer der Kneipen Bangkoks als „Cheap Charlie“ tituliert werden, ist das alles andere als anerkennend gemeint…

Mit steigendem interkontinentalem Flugverkehr wurden später Pauschalreisen möglich und Bangkok ein Hauptziel von Touristen aus aller Herren Länder, heute übrigens viele aus Rußland und noch mehr aus China. Die sind begehrt, eilt ihnen doch besonders in den Shopping Malls der Ruf voraus, ihr Geld sehr locker sitzen zu haben. Die große japanische Community Bangkoks entstand in den 90´er Jahren, als Thailand sich zur Werkbank fernöstlicher Konzerne entwickelte.

Gegenwärtig ist der Medizintourismus, besonders aus den Golfstaaten, ein wichtiges Business. Neben medizinisch indizierten Operationen werden besonders Zähne, Haare und Brüste gepimpt.




Skyline Bangkoks fern von Buddha und Bierbar: Makkasan Railroad Station.




2. Des Molochs ruhige Seite


Flüsse sind die Lebensadern alter Metropolen.

Auch in Bangkok ist der Chao Phraya Transportweg für Reis und Bausand aus dem Norden. Schon früh ließen sich an seinen Ufern Kaufleute aus aller Herren Länder nieder, aus Portugal, aus China und von der arabischen Halbinsel. Sie errichteten Lager- und Gotteshäuser, doch mit dem Bau von Straßen und Eisenbahnen verlagerten sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts die Transportwege.

Die Ufer des Chao Phraya fielen in einen Dornröschenschlaf. Erst in jüngster Zeit ist wieder Leben an die alten Piers zurückgekehrt; in Form von Cafés, Shopping Malls und Uferpromenaden. Trotzdem ist es an den Ufern links und rechts des Flusses noch ruhig und entspannend.

Fahren Sie mit dem öffentlichen Linienboot von dem Pier Saphan Taksin aus flußaufwärts bis zum Tempel Wat Arun. Steigen Sie aus an irgendeinem Pier zwischendurch, schließen Sie die Augen und lauschen Sie den Wellen. Es ist Erholung in einer Stadt, in der es sonst kaum welche gibt.




Fassaden aus den 70`ern an der Charoen Road, dem alten europäischen Viertel unweit des Chao Phraya.



Das "Old Customs House" am Fluß diente früher Hollywoodproduktionen als Kulisse,
wenn wieder mal ein Folterknast im Hanoi des Vietnamkrieges darzustellen war.



Wat Arun, der "Tempel der Morgenröte", hier bei Sonnenuntergang.



Sogar die Gebäude verotten mit Charme in Bangkok, hier
die alte Villa eines italienischen Kaufmanns am Chao Phraya.


Gräber auf dem Friedhof der Tonson-Moschee am Thonburi-Ufer,
auch heute noch Begräbnisort für die moslemischen Gemeinschaft.



In den Khlongs von Thonburi.



Morgen geht`s dann weiter.



3. Stadtrundfahrt für 40 Cent


Ein Sprung, und der Anlegesteg ist erreicht. Ein Matrose legt das Tau über den Poller und der Steuermann bugsiert die Barkasse an den Pier am Saen Saep-Kanal im Herzen Bangkoks.

Passagiere steigen aus und ein: Alte Frauen, Marktbeschicker, Schulkinder, ab und zu ein Mönch in orangener Wickelkutte. Die Linienboote auf dem Saen Saep-Kanal sind die Transportmittel derer, die Bangkok am Laufen halten. Sie verbinden Orte, die nicht auf der Agenda der Touristen stehen, Großmärkte, Schulen und Wohnquartiere. Gerade deshalb ist eine Fahrt mit den Khlong-Booten ein besonderes Erlebnis. Steigen Sie ein, und Sie werden Ecken Bangkoks sehen, die Ihnen sonst verborgen bleiben: Alte Brücken, Graffitti an Betonmauern, aber auch ab und zu ein Slum.

Start der Bootslinie auf dem Saen-Saep-Kanal ist der Rand des historischen Bezirkes, der touristische Hotspot in Bangkok mit dem Königspalast und seinen Tempeln. Endstation ist übrigens „Wat Si Bunruan“, von wo aus Sie einen skurrilen Ort bequem zu Fuß erreichen können, den Flugzeugfriedhof. Allerdings waren bei meinem Besuch 2019 schon Vorbereitungen im Gange, die Wracks abzutransportieren, so daß ich nicht weiß, wie es heute dort aussieht.

Die Khlongboote sind ein wichtiger Teil des öffentlichen Nahverkehrs in der Metropole und eine originelle Alternative zu Taxen und Tuk-Tuks.





ÖPNV auf dem Saen Saep-Kanal.


Im Historischen Bezirk am westlichen Ende des Kanals.



Betonmauern am Saen Saep-Kanal sind Leinwände für Graffitti-Künstler.



Ist das jetzt Idylle oder Slum? Die Interpretation bleibt Ihnen überlassen.



Am Ostende des Kanals liegt der Flugzeugfriedhof. Hier der Mittelteil einer MD 11.



Ein nicht alltäglicher Ort.


Reste des Cockpits einer einst stolzen 747.



4. Raise the Red Lantern


Na, jetzt kommt schon, darauf habt Ihr doch die ganze Zeit gewartet!

Stories und Bilder über Go-Go-Girls, Massagesalons und anderes in der Art, Klischees von Bangkok eben.

Aber halt, der Reihe nach:

Im Isaan, der ländlichen Provinz im Nordosten Thailands ist es auch heute noch üblich, daß die Mädchen die alten Eltern zu versorgen haben. Die Söhne liegen stattdessen in der Hängematte und schauen den Reispflanzen beim Wachsen zu. Töchter aber werden oft genug zum Geldverdienen nach Bangkok geschickt, und man will nicht so genau wissen, wie die das machen.

Es ist ein harter Job, Tochter in Thailand zu sein!

Dabei sind sie schon lecker anzusehen, die Bargirls aus dem Isaan, wenn sie ihre Lippen nachziehen und dir zuzwinkern. Doch sie sind nur ein Rädchen in der Entertainmentindustrie Bangkoks, die ein gut organisiertes, differenziertes Business ist. Komplex organisiert wie eine Autofabrik, mit Hierarchien, Arbeitsteilungen und hochglanzpolierten Produkten.

Neben den Bargirls gibt es z.B. die, die mit dem Queue um die Billardtische scharwenzeln und dafür bezahlt werden, ihren Hintern in die Luft zu halten. Nicht zu vergessen der alte Mann, der die Toiletten auf Vordermann bringt. Alle leben neben ihrem Lohn auch von der Provision auf die Getränke und dem Trinkgeld, dabei immer mit einem Lächeln im Gesicht. Für Einnahmen und Wechselgeld allerdings ist ein Drachen an einem der hinteren Tische zuständig, meist die Ehefrau des Managers. Die ist schon deutlich verkniffener.

In der Stadt gibt es drei Entertainmentbezirke, in denen sich Bierbars, Musikkneipen und Go-Go-Schuppen abwechseln: Patpong, Soi 4 (Soi Nana) und Soi Cowboy. In Patpong wird geneppt, Finger weg! Die anderen beiden Seitenstraßen aber sind ok. Ab 18.00 Uhr läuft die Party bis zum Abwinken. Trinken Sie ein paar Bier mit Ihren neuen Buddies aus aller Herren Länder, parlieren Sie mit den Ladies und spendieren Sie ein paar Drinks. Es kostet nicht die Welt und Sie vergessen für einen Abend lang Berufsstress und Steuererklärung. Das ist das Hochglanzprodukt, das die Entertainmentindustrie Bangkoks verkauft – und sie macht es perfekt!

Bangkoks Bargirls sind exzellente Schauspielerinnen in einem knochenharten Job, und ich habe tiefsten Respekt vor ihnen!





In der Soi Cowboy, U-Bahnstation Asoke.
Im "Suzie Wong" wurden Szenen für "The Deer Hunter" gedreht,
einem der besten Filme aller Zeiten, meiner Meinung nach.


Vor der Corona-Epidemie Parkett für das beste Theater Bangkoks,
die Straßentheke einer Bierbar in der Soi 4.
Kein Zweifel, nach der Epidemie geht die Show nahtlos weiter.



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