Mein Shanghai
Die Beständigkeit des Wandels
Internationale Flagshipstores in der Nanjing Lu, glitzernde
Hochhausfassaden in Pudong, freie Fahrt mit der U-Bahn bis zum Flughafen – noch
nicht lange ist das so.
Als ich vor etwas mehr als 20 Jahren das erste Mal nach
Shanghai kam, sah alles noch ganz anders aus.

Shanghai, Pudong Skyline
1996
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Shanghai, Pudong Skyline
2006
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Shanghai, Pudong Skyline
2016
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Stadtpläne von damals kann ich heute komplett in die Tonne
treten, die Visitenkarten mit Adressen interessanter Läden und guter
Restaurants sowieso. Alles ist neu, der gefühlte Lebenszyklus solcher
Lokalitäten übersteigt selten 3 Jahre.
Shanghai ist in dieser Zeit eine internationale Metropole
geworden; modern, glitzernd und auch oft austauschbar. Dabei so schnelllebig,
daß das, an das man sich heute gewöhnt hat, was einem vielleicht sogar ans Herz
gewachsen ist, morgen schon verschwunden ist.
Ich denke dabei an den Straßen-Trödelmarkt in der Dongtai Lu mit
dem Angebot an Buddha-Häuptern aus Stein, 300 Jahre alt, garantiert! und
bestimmt nicht aus Beton, wer behauptet denn so etwas?: Abgerissen und Platz gemacht für Bürohochhäuser.
Ich denke auch an den Schuster mit seiner mobilen Werkstatt
direkt vor meinem Appartementblock, der noch jedes Paar meiner Schuhe ruiniert
und dabei in fließendem Englisch so lebhaft von Shanghai erzählt hat, daß es
auf die Treter wirklich nicht mehr ankam: Verschwunden, Gott weiß wohin.
Und ich denke auch an die Kneipe ein paar Straßen weiter, in
der sich Einheimische und Expats freitags nach Feierabend trafen, Musik einer
Philippinoband im Hintergrund und bedient von einer Kellnerin mit solch einem
Charme, daß es auch auf das dünne chinesische Bier nicht mehr ankam.
Shanghai verändert sich weiter, Tag für Tag; eine wirklich
internationale Metropole, anstrengend und attraktiv. Einige Jahre dort gelebt zu haben, war eine tolle Herausforderung!
Und doch waren es nicht die Wolkenkratzer in
Pudong und auch nicht die engen Gassen der langsam verschwindenden
Altstadt an der Renmin Lu, die für mich den Flair Shanghais ausgemacht
haben. Es waren vielmehr die Straßenzüge nahe am "Bund" mit ihren Art
Decò - Fassaden aus den zwanziger und dreissiger Jahren, inmitten derer
man sich ohne Mühe in die Zeit der "Roaring Twenties", der Opiumhöhlen
und Bordelle, der ausländischen Agenten und chinesischen Triaden,
zurückversetzen konnte. Hongkong war zu dieser Zeit noch ein
malariaverseuchtes Drecksloch.
Hoffentlich schaffe ich es, Ihnen mit meinen Reisereportagen etwas von diesem einzigartigen Flair Shanghais herüberzubringen.
Versuchen wir´s!
I. Reisereportagen:
II. Meine Reisetipps:
- Wenn Sie im April dem ohrenbetaeubenden, auf- und
abschwellenden Sirren der Zikaden lauschen, wissen Sie, dass der Sommer nur
noch ein paar Tage entfernt ist. Und der ist schwül und heiß in Shanghai!
Abends ist es erträglicher und die perfekte Zeit, um auf der Pudong-Seite am
Fluß entlangzugehen, die illuminierte Uferpromenade des „Bund“ am anderen Ufer
zu bestaunen und auf ein Weizenbier im „Paulaner Bräuhaus“ einzukehren.
- Die schönsten Tage in Shanghai sind die zwischen September
und November. Die Temperaturen sind angenehm und die Sonne steht tief am
Nachmittag. Goldenes Licht und lange Schatten schaffen die perfekte Stimmung,
um durch die Straßen zu flanieren.
- Kalt und feucht dagegen ist es in Shanghai zwischen Januar
und März. Tagsüber zwar nicht unter dem Gefrierpunkt, aber trotzdem unangenehm.
Stellen Sie sich darauf ein.
- Die East Nanjing Lu ist die Haupteinkaufsstraße Shanghais
und komplett zu meiden. Es sei denn, Sie wollen bei H&M, Uniqlo oder
Forever 21 denselben Fummel kaufen, den Sie überall auf der Welt in genau
denselben Läden auch bekommen. Aber nur eine Parallelstraße rechts oder links
davon stehen Sie im alten Shanghai, zwischen Jugendstilhäusern und auf
Tuchfühlung mit Frau Zhang und Herrn Li.
- Aus demselben Grund ist ein Besuch in Lujiazhui, dem
Finanzdistrikt auf der Pudong-Seite, nur dem zu empfehlen, der sich auf der
Aussichtsterrasse eines Wolkenkratzers das Stadtbild aus der Vogelperspektive
anschauen will. Ansonsten die gleiche Hochhaustristesse wie in jeder anderen
Großstadt auch. Wer`s mag….
- Die modebewußte Shanghainesin allerdings kauft -wenn nicht
gerade im Internet- dann auf der Huahai Lu, sowie in den Seitenstraßen rechts
und links davon, ein. Solange, bis die Kreditkarte glüht. Dort können Sie sich
auch im Sommer vom Erfolg der Kampagne „Kampf der Textilverschwendung“
überzeugen lassen.
- Sie haben eine Schwäche für old style - Inneneinrichtungen,
holzgetäfelt und dunkel? Sie mögen keinen Hip-Hop, keinen Elektropop, aber
jazzige Livemusik? Umgeben von arroganten Kellnern und Best Agern, die Herren
cool im Jackett und die Ladies schick im Kleid? Dann kommen Sie samstags abends
ins „Blues & Jazz“, Fuzhou Lu. Seit mehr als 20 Jahren meine Lieblingsbar
in Shanghai.
- Fahren Sie auch mit der U-Bahn nach Pudong, auf die „Thumb
Plaza“ zum Beispiel. Hier können Sie abends in den Bars die atemberaubende
Performance der Philippinobands erleben und mit den Expats aus aller Herren
Länder um die Wette saufen.
- Ein Erlebnis ist der Besuch des Fake-Markets in der
U-Bahnstation „Shanghai Science and Technology Museum“. Kaufen Sie um Gottes
Willen keine nachgemachte Rolex, denn die halten meist nur einige Wochen, aber
schütteln Sie den Kopf über Touristen, die dem Jagd- und Sammeltrieb erlegen
sind.
- Tina und Patrick von Historic Shanghai (www.historic-shanghai.com) führen
zweimal im Monat durch die Relikte des alten Shanghai; das Shanghai der engen
Hinterhöfe und der Art Decó-Prachtbauten. Dazu erzählen sie Stories aus der
Zeit der Gangster, Prostituierten und Revolutionären. Ein außergewöhnliches
Erlebnis!
(nach oben)